Am Freitag, den 19. November 2021 wurde das neue Lipa-Camp nach mehrmaligem Aufschieben aufgrund von Konstruktionsarbeiten sowie Problemen mit elektrischer Versorgung schließlich im Rahmen einer Zeremonie eröffnet. Das von der EU mitfinanzierte Lipa-Camp wurde zunächst von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und nach dem Brand vom Service for Foreigners‘ Affairs (SFA) verwaltet. Es stand immer wieder zu Recht wegen menschenunwürdigen Bedingungen in Kritik. Es ist fragwürdig ob die Neueröffnung einen Grund zum Feiern darstellt.
Doch auf den zweiten Blick zeigen sie vor allem eines: ein tristes, freudloses Lebensumfeld, umringt von Zäunen. Kaum ein Mensch, mit dem wir bei unserer Arbeit Kontakt hatten, möchte dort freiwillig lange Zeit verbringen. Auch wenn das Lipa-Camp kein abgeschlossener Ort ist, ist es ein abgeschotteter Ort und niemand ist dort freiwillig, sondern aufgrund größter Not. In Camps wie diesem, welche eigentlich als Übergangslösung geplant sind, wird in der Realität kostbare Lebenszeit verschwendet und die durch den Weg geschädigte Gesundheit der Menschen langfristig vernachlässigt. Camps wie dieses stellen selbst ein Symptom des politischen und humanitären Problems dar, dessen Lösung sie sein wollen. Lipa bietet lediglich eine Möglichkeit, den Strom der Menschen aufzuhalten und an einem Ort zu kontrollieren, der People on the Move durch fehlende Infrastruktur und Anbindung daran hindert, sich frei zu bewegen und die EU-Außengrenze zu erreichen.
Das Camp selbst ist auf einer Hochebene, rund 25 Kilometer von der nächst größeren Stadt Bihać entfernt, gelegen, was ca. fünf bis sechs Stunden zu Fuß entspricht. Im direkten Umkreis gibt es vor allem im Bosnienkrieg verlassene Dörfer, keine größeren Einkaufsmöglichkeiten, keine städtischen Strukturen. Mit anderen Worten: Das Lipa-Camp ist großteils von der übrigen Gesellschaft isoliert und dem öffentlichen Blick entzogen.
Im Sommer verlassen viele People on the Move das Camp häufig nach kürzester Zeit wieder und versuchen, sich selbst autonom im Freien zu organisieren. Im Winter sind sie jedoch dazu gezwungen die Bedingungen in Kauf zu nehmen. Einer schreibt uns: „And they will not help the migrants out of the camps. If you want to be safe, if you want to get food, if you want to have medical care, if you want to have a safe shelter, if you want to be warm, if you want to not get tortured by the police, if you want to have protection, then you have to be and stay in the camps. There is no way without staying in the camps. The Bosnian government and other organisation’s will not help you out of the camps. […] They are able to help you in Bihac […] but they will not.“
Allein 2021 hat Bosnien und Herzegowina von der EU über 25 von insgesamt 85.5 Millionen Euro für Migrationsmanagement erhalten. Jenes Geld könnte zum Beispiel in eine angemessene Versorgung der Menschen investiert werden, in der Realität finanziert es auch Abschiebungen, Inhaftierungen und Polizeieinsätze – Maßnahmen, die Menschen am Weiterkommen hindern.
Unter dem Deckmantel der Humanität und des Schutzes ist das Lipa-Camp Teil der EU-Externalisierungspolitik und drängt geflüchtete Menschen in fremdbestimmte exkludierende Räume. Geholfen werden soll nur jenen, die sich dieser Einengung ergeben, während sie ihrer Autonomie beraubt werden. Geld in ein politisch aufgewühltes Land zu stecken, um die Politik der Externalisierung aufrecht zu erhalten, anstatt legale Fluchtwege in die EU zu schaffen, kann nicht die Lösung sein.
FREEDOM OF MOVEMENT